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Carl Jacobsen’s Correspondence Archive

1889-02-12

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Carl Jacobsen

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Rom Villa Lante 12/2 89

Verehrtester Herr und Freund
Wir leben seit der Arbeiteremente, die am letzten Freitag Statt fand, in einer Art von Belagerungszustand, welche unsere Comunicationen mit der Stadt in hohem Grade erschwert.
Ihren Brief vom 5. habe ich erst gestern erhalten. Doch war es mir unmöglich darauf hin sofort die Verhandlungen mit Innocenti zu beginnen, da er seine Bottega, damit sie nicht geplündert werde, hermetisch verschlossen hält. Dagegen ist es mir gelungen die den Seilentorso betreffende Operation in erwünschter Weise auszuführen. Wir haben ihn für 2850 Francs erworben. Ausserdem habe ich noch von einem heruntergekommenen römischen Nobile ein sehr zierliches Relief der hellenischen Gattung um 250 Francs erworben. Es stellt eine Gruppe scenischer Masken dar. Da sich diese beiden Stücke schon lange über der Erde befinden, so können bei ihrer Exportation keine juristischen Schwierigkeiten entstehen.
Ausserdem hat sich Kopf, der mit den Mitgliedern der Exportationscommission ami cochon ist, bereit erklärt, in seinem Namen den Exportationspermess zu verlangen und wir dürfen demnach auf eine billige Abschätzung hoffen.
Der Torso und das Maskenrelief werden demnach Anfang nächster Woche nach Kopenhagen abgehen - falls nicht wiederum eine Emente ausbricht, was allerdings von den radikalen Zeitungen für nächsten Donnerstag prophezeit wird. Alles Übrige muss ich leider vor der Hand noch in Rom zurückhalten, das Heraklesrelief, weil es zu frisch gefunden ist und die Exportcommission bei dem Eifer, den sie gegenwärtig entwickelt, unliebsame Nachfragen nach der Provenienz anstellen könnte, die Köpfe, weil unser Scarpellino noch nicht zurückgekehrt ist.

Mit herzlichen Grüssen
Ihr ergebener Helbig

Die Glyptothek in Ny Karlsberg
Unter den ausserhalb der klassischen Ländern vorhandenen Sammlungen antiker Skulpturen nimmt gegenwärtig das British Museum unbestritten den ersten Platz ein. Es verdankt diese hervorragende Stellung im Besonderen den Parthenonsculpturen, den höchsten Leistungen griechischer Plastik, welche sich erhalten, und anderen ächt griechischen Marmorwerken, die aus Kleinasien und von den Inseln des Archipels in jenes Museum gelangt sind. Die nächsten Plätze nach dem British Museum nehmen ein die Sculpturensammlung des Louvre, die Münchener Glyptothek und die Berliner Sammlung. Doch fällt es schwer diese drei Sammlungen nach ihrer Bedeutung in einer bestimmten Reihenfolge anzuordnen, da sich jede derselben in gewissen Hinsichten besonders auszeichnet. Der Louvre enthält hervorragende griechische Originalarbeiten aus Athen, Olympia, Thessalien, Samothrake und Thasos.
Die griechisch-römische Plastik ist durch eine Fülle von Sculpturen vertreten; doch wird der Eindruck derselben vielfach durch die rücksichtslosen, und willkürlichen Restaurationen verkümmert, welche man während des vorigen Jahrhunderts den antiken Denkmälern zu geben pflegte. Die Münchener Glyptothek steht hinsichtlich der Zahl ihrer Denkmäler weit hinter dem Louvre zurück. Aber sie besitzt das reichste Ensemble archaischer griechischer Plastik, die Bildwerke des Tempels von Aigina, und ein Meisterwerk aus der Diadochenzeit, den Barberinischen Seilen. Die in ihr enthaltenen griechisch-römischen Sculpturen sind beinah durchweg von künstlerischer oder kunsthistorischer Bedeutung und im Ganzen verständig restauriert.
Das Berliner Museum zeichnete sich bis vor Kurzem, wenn man von dem anbetenden Knaben und der auf Polyklet zurückgehenden Amazonenstatue absieht, mehr durch die Quantität als die Qualität seines Inhalts aus. Es hat erst in dem letzten Jahrzehnt eine hervorragende Bedeutung erlangt durch die Gewinnung der den pergamenischen Altar schmückenden Sculpturen und durch den Ankauf des plastischen Theiles der Sammlung Saburoff. Der nächste Platz nach der Pariser, Münchener und Berliner Sculpturensammlung gebürt unbestritten der Glypothek in Ny Karlsberg. Sie hat sämmtliche andere Sammlungen, die bei einem derartigen Vergleiche in Betracht kommen, die Petersburger Ermitage, das Dresdener Antikenkabinet und die Madrider Sculpturensammlung durch die Bedeutung ihres Inhaltes überflügelt. Den schönsten Schmuck der Glyptothek bildet wohl eine Reihe von Köpfen und Hermenbüsten, welche durchweg aus griechischem Boden und zwar grössten Theils aus Attika stammen und die Hauptphasen der griechischen Kunst von der archaischen Entwickelung bis zur Diadochenzeit vergegenwärtigen. Diese Reihe bietet zugleich ein vortreffliches Lehrmaterial dar, da der Professor der Archäologie dadurch seinen Schülern nicht nur die hellenischen Typen sondern auch die Eigenthümlichkeiten ächt hellenischer Ausführung klar machen kann. Von unschätzbarem künstlerischen und historischen Werthe ist ferner eine Gruppe römischer Porträtköpfe, die, an derselben Stelle gefunden, Personen aus der Übergangszeit von der Republik zur Monarchie darstellen. Bisher sind nur zwei Exemplare dieser Serie, ein Kopf des Cn. Pompeius und ein Kopf der Livia, publiziert worden. Sie haben nicht ermangelt bei den Gelehrten wie bei den gebildeten Laien das grösste Aufsehen zu erregen. Kein Museum kann sich rühmen ein ähnliches Ensemble zu besitzen.
Bestimmt durch die richtige Erkenntniss, dass die hervorragendsten Leistungen der griechisch-römischen Kunst dem Kreise der Porträtbildung angehören, war Herr Jakobsen, nachdem er jenes Ensemble erworben, mit Erfolg bemüht seine Sammlung gerade in dieser Richtung zu vermehren.
Ein letzthin angekaufter Porträtkopf gehört einer älteren Epoche an als die soeben erwähnte Serie; er kann recht wohl bis zum Anfang des letzten Jahrhunderts v. Chr. hinaufreichen.
Die Zeit des Claudius ist durch eine ausgezeichnete Büste der Messalina, die der Gordiane durch eine elegant ausgeführte Jünglingsbüste vertreten. Schreitet die Vermehrung der Glyptothek in derselben Weise fort wie bisher, so wird sie binnen Kurzem die für die Geschichte der griechischrömischen Porträtbildung wichtigste Sammlung werden. Unter den in der Glyptothek befindlichen Reliefs verdient besondere Beachtung ein archaisches griechisches Exemplar, das hinsichtlich des Stiles an das bekannte im Louvre aufgestellte Relief von Pharsalos erinnert. Die attische Reliefkunst des 4. Jahrhunderts ist durch eine prachtvolle Sepulkralamphora und durch den oberen Theil einer Stele vertreten. Eine ansehnliche Zahl von Sarkophagen giebt dem Besucher der Glyptothek einen deutlichen Begriff von dem, was die griechisch-römische Kunst auf diesem Gebiete geleistet.
Es befindet sich darunter eines der bedeutendsten Denkmäler dieser Gattung, der vormals in der Villa Casali befindliche Sarkophag mit Dionysos und Ariadne. An Statuen ist die Glyptothek vor der Hand noch arm. Doch besitzt sie zwei Statuen, welche, obwohl nur decorativ ausgeführt, eine grosse kunsthistorische Wichtigkeit haben, eine, welche einen berühmten Typus der zweiten attischen Schule, eine Aura velificans, zu reproduzieren scheint, die andere, welche einen schlafenden Jüngling wiedergiebt und nach dem aus dem polykletischen abgeleiteten Typus des Kopfes der bisher so wenig bekannten jüngeren Entwickelung der peloponnesischen Schule angehört: Ein prachtvoller weiblicher Torso, der aus den Gärten des Sallust stammt, wird an Interesse gewinnen, wenn er gehörig untersucht worden und die Stelle, die er in der Kunstentwickelung einnimmt, richtig erkannt ist. Die griechisch-römische Porträtstatue ist durch einen in dem Haine der Diana Nemorensis gefundenen Togatus vortrefflich vertreten. Eine von einem antiken Wasserkastelle stammende Tritonfigur veranschaulicht den Geschmack, mit dem die Alten den statuarischen Schmuck von Architekturen zu behandeln verstanden. Endlich sei hier noch auf ein Haputstück der Glyptothek hingewiessen, einen weiblichen Kopf von einer Kolossalstatue, welche eine amazonenartig gebildete Stadtgöttin dargestellt zu haben scheint. Es ist offenbar eine Originalarbeit aus hellenistischer Zeit und gehört zu den schönsten Kolossalköpfen, die sich erhalten. Auch auf dem Gebiete der italischen Kunst hat die Glypothek einen viel versprechenden Anfang gemacht. An die Spitze dieses Theiles der Sammlung würde ein zu Präneste gefundener, archaischer Thonkopf, an dem sich die Polychromie wunderbar erhalten, zu stellen sein, wäre es sicher, dass dieser Kopf von einem italischen Künstler gearbeitet ist, und läge nicht die Möglichkeit vor, dass er zu den aus den unteritalischen oder sicilischen Griechenstädten nach Latium exportierten Produkten gehört.
Die etruskische Kunst ist durch drei Reliefdenkmäler vertreten, die des 5. Jahrhunderts durch einen Grabcippus und eine Aschenurne aus Chiusi, die des 3. Jahrhunderts durch einen vulcenter Sarkophag.
Diese Bemerkungen sind weit davon entfernt die Bedeutung der Glyptothek in erschöpfender Weise darzulegen.
Sie weisen nur in aller Kürze auf die Hauptstücke hin und werden somit einen annähernden Begriff geben, in wie hohem Grade diese Sammlung geeignet ist, die wissenschaftlichen Interessen zu fördern und den Geschmack der Künstler wie des Publikums zu bilden.
Die Stadt Kopenhagen kann glücklich darüber und stolz darauf sein, dass sich in ihrem Weichbilde ein so bedeutendes Kulturcentrum befindet, und es ist in ihrem eigensten Interesse zu wünschen, dass ihr dasselbe erhalten bleibe.

Rom Villa Lante 12/2 89

Helbig

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